Beschallungsanlagen
An allen Orten, an denen Musik oder Sprache einem größeren Hörerkreis zugänglich gemacht werden sollen, kommen mehr oder weniger aufwendige Beschallungsanlagen zum Einsatz. Während bei vielen Veranstaltungen die Aufstellung einer kleinen, einfachen Anlage völlig ausreichend sein kann, so erfordern ausgedehnte Lokalitäten den Einsatz komplexer Systeme, die exakt positioniert und aufeinander abgestimmt werden müssen.
Bei der Planung derartiger Anlagen kommen als Hilfsmittel Simulationsprogramme wie EASE zum Einsatz, die Vorhersagen wie z.B. über Pegel und Sprachverständlichkeit in den Zuhörerbereichen ermöglichen. Ist die Anlage vor Ort installiert, so müssen die einzelnen Teilsysteme auf den Raum abgestimmt und zu einem stimmigen Gesamtsystem zuammengefügt werden. Dazu sind umfangreiche Messungen erforderlich.
Dient die Beschallungsanlage als Notfallwarnsystem, zum Beispiel in Stadien oder auch in Straßentunneln, so muss die Sprachverständlichkeit der Durchsageanlage gemäß der einschlägigen Vorschriften überprüft werden.
Inbetriebnahmemessungen
Voraussetzung für eine erfolgreiche Inbetriebnahmemessung ist die korrekte Abstimmung der Einzelkomponenten unter Freifeldbedingungen. Eine Erstellung oder Korrektur von Controllersetups im installierten Zustand ist praktisch nicht möglich.
Der Einmessvorgang beginnt grundsätzlich mit einem Funktionstest aller Komponenten (Ausrichtung, Curving, Amp-Gains, Limiter, Routing, Polarität, Havariesysteme). Hier lauern die meisten Fehlerquellen, die vor Beginn der eigentlichen Messungen ausgeschlossen werden müssen.
Pro Lautsprecher oder Array werden an 20-50 Messpunkte im Hauptabstrahlbereich die Frequenzgänge aufgezeichnet, bei ausgedehnten Veranstaltungsräumen über eine Funkstrecke. Diese Messungen beinhalten sämtliche Reflexionen im Raum und ergeben nach energetischer Mittelung einen repräsentativen Verlauf. Aus dieser Kurve werden nun die EQ-Einstellungen für den entsprechenden Lautspecher abgeleitet, auch Hauskurve genannt.
Anschließend werdendie Pegel aller Einzelsysteme oder Cluster aufeinander abgestimmt.
Schließlich werden nach Laufzeitmessungen an geeigneten Positionen die Delays der Einzelsysteme derart eingestellt, dass der Richtungsbezug zum Hauptsystem (Bühne) gewährleitet ist.
Abschließend erfolgt eine Hörprobe, um die durchgeführten Einstellungen zu überprüfen.
Ergänzend können weitere Messungen erforderlich sein:
- Messung der Schleifenverstärkung mit Einstellung der Filter zur Feedback-Unterdrückung
- STI-Messung, Signalpegelmessung, Störpegelmessung
Abnahmemessungen von Notfallwarnanlagen
Die Anforderungen an Notfallwarnanlagen sind in folgenden Normen dargestellt:
- DIN EN 60849 (IEC 60849 und VDE 0828): Elektroakustische Notfallwarnsysteme
- IEC 60268-16: Elektroakustische Systeme, Objektive Bewertung der Sprchverständlichkeit durch den Sprachübertragungsindex
- DIN VDE 0833-4 Anhang G: Messverfahren zur Bestimmung des Sprachübertragungsindex STI
Ziel ist es, die Sprachverständlichkeit mit Hilfe einer objektiven Messung durch einen Einzahlparameter (STI) zu beschreiben.
Die Sprachverständlichkeit kann beeinträchtigt sein durch äußere Einflüsse (Störgeräusche), Raumakustik (Hall und Echos) sowie durch Mängel der Beschallungsanlage (eingeschränkter Frequenzgang, zu geringer oder zu hoher Pegel, Verzerrungen).
Die Messungen der Sprachverständlichkeit erfolgt entweder durch Einspeisung eines speziellen Testsignals in die Anlage und Auswertung mit dem mobilen NTI Acoustilyzer (STI-PA) oder durch Auswertung der mit Monkey Forest bestimmten Impulsantwort nach der Schroeder-Methode.
Planung und Simulation von Beschallungsanlagen
Eine Beschallungsanlage und der sie umgebende Raum sind zwei nicht zu trennende Bausteine, die die akustischen Eigenschaften einer Versammlungsstätte bestimmen. Die Planung von großen Beschallungsanlagen ist daher nur unter Berücksichtigung der Raumakustik möglich. Simulationsprogramme wie EASE sind mächtige Werkzeuge, die gute Voraussagen über die akustischen Eigenschaften der Anlage schon vor der Installation ermöglichen.
- Vor der Planung der Anlage selbst steht die Definition der zu erfüllenden technischen Kriterien. Je nach Verwendung der Anlage kann dies der zu erreichende Schalldruckpegel in einem definierten Frequenzbereich sein, ein besonders lineares Übertragungsverhalten für hochwertige Musikwiedergabe, die vorgeschriebene Sprachverständichkeit für Alarmierungen oder der Schallimmissionsschutz im Außenbereich. Außerdem können Aspekte wie Denkmalschutz, Vandalismussicherheit oder eine besondere optische Gestaltung eine Rolle spielen.
- Voraussetzung für die Simulation sind hochaufgelöste Balloondaten der Lautsprecher mit mind. 5° Auflösung inclusive Phaseninformationen.
- Die Simulation beginnt mit der Konstruktion des Raumes, in dem die Anlage installiert werden soll. Dabei sind alle akustisch relevanten Bauteile zu erfassen, gleichzeitig werden akustisch unwirksame Details ausgespart, um die Rechenzeiten erträglich zu halten. Die einzelnen Bauteile werden nun mit möglichst genauen Parameterwerten für Absorption und Streugrad versehen, die vom verwendeten Material und der Struktur abhängen.
- Mit diesem Modell lässt bereits die Nachhallzeit nach Eyring oder Sabine berechnen. Der Vergleich mit Nachhallmessungen im Raum erlaubt ein Nachjustieren der Absorbtionswerte im Modell.
- Nun werden die Lautsprecher in das Modell eingefügt. Bei Verwendung von Line-Arrays sind dabei Tools zur optimalen Bestimmung der Ausgangskonfiguration hilfreich. Ziel ist eine gleichmäßige Beschallung der Publikumsbereiche unter Aussparung stark reflektierender Flächen.
- Als nächster Schritt wird die Direktschallverteilung im Raum simuliert. die Rechenzeiten hierzu sind auch für hohe Auflösung recht kurz. Die Ergebnisse sowohl im Publikumsbereich wie auch ausserhalb können zur Korrektur der Lautsprecheranordnungen verwendet werden.
- Anschließend werden mit dem Aura-Modul in Ease unter Verwendung von Spiegelschallquellen Impulsantworten an ausgewählten Positionen simuliert. Daraus lassen sich weitere Parameter berechnen, wie die präzise Nachhallzeit mit den Quellen im Modell, der Gesamtschallpegel und die Sprachverständlichkeit.
- Schließlich erfolgt die Auralisation durch Faltung beliebiger Signale mit den Impulsantworten, um einen Höreindruck von Raum und Anlage zu erzeugen.
Konzertbeschallung
Die Anforderungen an eine hochwertige Musikwiedergabe bei Livekonzerten ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Ein lineares Übertragungsverhalten für alle Zuschauerbereiche, eine druckvolle und tiefreichende Basswiedergabe sowie „amtliche“ Pegel ohne Verzerrungen werden hier von den Zuschauern wie auch von den beteiligten Technikern erwartet. Mit den gestiegenen Wiedergabepegeln wächst auch die Gefahr von Rückkopplungen, denen mit zielgerichteter Beschallung der Publikumsbereiche unter Aussparung der Bühne begegnet werden kann.
Neben klassischen Lautsprecherclustern haben sich leistungsfähige Line-Arrays durchgesetzt, die eine gleichmäßige Beschallung auch großer Publikumsflächen ermöglichen. In letzter Zeit wird auch vermehrt auf eine gerichtete Basswiedergabe durch Cardioid-Konfigurationen oder andere Bass-Arrays Wert gelegt. Diese Lautsprecheranordnungen erfordern einen höheren Planungsaufwand als konventionelle Lautsprecher-Arrays, der durch die Verwendung von Delay-Lines und speziellen Lösungen für Randbereiche oder Nebenräume noch erhöht wird.
Kirchen
Bei der Beschallung von Kirchen sind zwar die Anforderungen an die erzielbaren Schalldruckpegel eher gering, die oft sehr langen Nachhallzeiten erfordern aber dennoch eine sorgfältige Planung, so dass eine ausreichende Sprachverständlichkeit gewährleistet werden kann. Weiterhin sind neben technischen vor allem auch ästhetische und denkmalpflegerische Aspekte sehr wichtig, die bei der Planung Berücksichtigung finden müssen.
Die Planung beginnt auch hier mit einem CAD-Modell in EASE, in dem alle akustisch relevanten Flächen berücksichtigt werden. Die spezielle Architektur von Kirchen erfordert hier häufig besonders aufwendige Modelle. Bei der Auswahl der Lautsprecher kommen immer häufiger auch Zeilenlautsprecher mit elektronisch steuerbarer Richtcharakteristik zum Einsatz, die eine sehr gezielte Beschallung der Gottesdienstbesucher erlauben und sich dennoch vergleichsweise unauffällig platzieren lassen.
Nach der Installation erfolgt eine sorgfältige Einmessung der Anlage an vielen Positionen, aus der sich passende Filterkurven herleiten lassen.
Sprachübertragung
Die Anlagen für Sprachübertragung umfassen den weiten Bereich von Tagungen, Pressekonferenzen, Hörsälen bis hin zu großen Hauptversammlungen oder Parteitagen. All diesen Anwendungen gemeinsam ist die Anforderung von sehr guter Sprachverständlichkeit, gleichmäßigem Pegel im Publikumsbereich sowie hoher Rückkopplungssicherheit.
Sportstätten
Bei Sportstätten wie Stadien oder Hallen liegt der Schwerpunkt bei der Planung der Beschallungsanlage auf Notfall- und Sprachdurchsagen. Daneben sollen aber auch Pausenmusik und Werbeeinspielungen in guter Qualität wiedergegeben werden können. Wenn die installierten Systeme auch bei Konzertveranstaltungen mitverwendet werden sollen, steigen zusätzlich die Ansprüche an Linearität und Basswiedergabe. Die Anlagen müssen, auch bei teilweise beachtlichen Störpegeln durch das Publikum selbst, Sprachverständlichkeit und hohe Schalldruckpegel sicherstellen.
Die vorwiegende Verwendung von schallharten Baumaterialien wie Beton und Glas führt zu langen Nachallzeiten, die die Sprachverständlichkeit beeinträchtigen. Das Publikum stellt oft den einzigen wirksamen Absorber dar. Bei der Auswahl der Lautsprecher kommen daher nur solche Modelle in Frage, die sich aufgrund ihres gleichmäßigen definierten Abstrahlverhaltens exakt auf die Publikumsflächen ausrichten lassen und die Anregung der reflektierenden Flächen weitestgehend vermeiden. Hier finden neben klassischen Hornsystemen auch Line Arrays Verwendung, deren Abstrahlverhalten sich flexibel an die Raumgeometrie anpassen lässt.
Bei der Simulation werden Positionen im gesamten Publikumsbereich auf zu erzielende Pegel sowie Sprachverständlichkeit untersucht.
Hörbeispiel 1: Auralisation Stadion mit Line Arrays ohne Publikum
Hörbeispiel 2: Auralisation Stadion mit Line Arrays mit Publikum
Hörbeispiel 3: Auralisation Stadion mit Hornclustern ohne Publikum
Hörbeispiel 4: Auralisation Stadion mit Hornclustern mit Publikum